top of page

Sexarbeiterin. Was ist das für mich?

Irgendwann bin ich über den Begriff Sexarbeiterin gestolpert. Ich weiß nicht, wann dieser Begriff aufkam, dazu bin ich wahrscheinlich noch nicht lange genug im Geschäft, aber als ich dieses Wort zum ersten Mal hörte, fiel es mir negativ auf. Kalt fühlte sich das für mich an. Leblos irgendwie.


Wenn ich dieses Wort auf mich wirken lasse, dreht sich mir der Magen um. Es fühlt sich für mich so an, als ob man eine Technik anwenden müsste, um den Mann schnellstmöglich von dem Übel der Erregung zu befreien. Das Wort ist mir einfach zu statisch starr und ohne Bewegung. Ich schließe die Augen und versuche mir vorzustellen, wie ich die Arbeit am Sex oder wie man es immer nennen mag, verrichte:


Ich nehme dann Abstand von dem Objekt Mann, den ich versuche, sexuell zu befriedigen, weil es mal wieder an der Zeit ist. Ich schäme mich, da der Mann mich als Objekt der Begierde sieht und will es möglichst schnell hinter mich bringen. Der Mann schämt sich auch, da er schon wieder diese (Er-)regung verspürt und möchte es auch schnell hinter sich bringen. Also wird diese Technik angewandt, um alle von ihrem Leiden zu befreien.

Ich verstehe mich in diesem Job so allerdings nicht.


Ich verstehe das anders:

In dieser Welt, die immer kälter wird und in der wir immer mehr Abstand voneinander nehmen, finde ich es wichtig, sich nahe zu kommen und sich auf das, was passiert, einzulassen. Ich möchte nah kommen und für diese Zeit des Zusammenseins eine Gemeinsamkeit finden. Sich nicht schämen für die Erregung, die aufkommt. Sich nicht schämen, geben oder nehmen zu wollen, sondern genießen. Sich nicht schämen für den Körper sondern mit allen Sinnen dabei sein. Fühlen, schmecken, riechen. Treiben lassen.


Und der Begriff der Sexarbeiterin lässt dies meines Empfindens nicht zu. Mit diesem Wort werden die Männer etikettiert, die eine solche Dame aufsuchen und die Damen, die aufgesucht werden, werden gleich mitetikettiert. Ein Tabu. Etwas, was man im Dunkeln macht. Nicht weitersagen. Schnell hinter sich bringen. Begriffe, wie Sexarbeiterin forcieren meines Erachtens diese Dunkelheit und beheben nicht die Probleme, die in der Branche auftauchen. Es wird weiterhin mit Schuld und Scham auf dem Rücken der Gäste und der Damen Geld gemacht. Den Damen wird weiterhin eingeredet, dass sie sich als Lustobjekt schämen müssen und den Herren, dass sie sich wegen ihrer Lust schämen sollten. Das fühlt sich nicht gesund an.


Ich verstehe mich als Hure. Dieses Wort kann ich fühlen. Dieses Wort ist für mich ursprünglich. Es hat Kraft und Sensibilität. Es ist wild und doch demütig. Es ist vor allen Dingen lebendig. Und ich, als Mensch, bin es ja auch.


Ich verstecke mich nicht hinter kalten, statischen Begriffen. Ich mag das Objekt der Begierde sein und mag auch begehren. Ich mag das erste Herantasten, das Kennenlernen. Ich mag es, wenn sich Kribbeln im Bauch breit macht und die Lust im Körper zu spüren ist. Ich mag das nahe Zusammensein an sich. Die Gesamtheit. Gespräche, die aufkommen. Lachen, manchmal auch vor Berührung weinen Willkommen heißen. Ich mag für die schönen Dinge offen sein und mich nicht verstecken.


Ich mag es Leichtigkeit zu säen, die weitergegeben werden kann. Ich mag es, wenn Angst, Schuld und Scham verschwinden und dem Gefühl der Verbundenheit weichen. Ich mag es, Menschen in jeder Hinsicht zu berühren.


Ich mag keine Sexarbeiterin sein.


Ich bin die Hure, die das Lebendige in sich vereint. Die, die sich hingibt und die Gesellschaft des Gastes genießt.


Claudia Nova

Comments


bottom of page